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von Dr. Wolfgang Stehling
"Die Dummen machen immer die gleichen Fehler,
die Klugen immer neue."
Unbekannt
Schon kleinste Fehlentscheidungen von Führungskräften können eine schwere Unternehmenskrise auslösen. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Angst vor Fehlern einer der bedeutendsten Streß-Faktoren ist. Doch wie sollen Unternehmen damit umgehen? Jede Firma benötigt eine gesunde Kultur des Umgangs mit Fehlern. Dabei muß zum einen erkannt werden, daß Fehler die Gelegenheit zum Wachsen geben. Zum anderen können Unternehmen durch ein gezieltes Management aus den gemachten Fehlern lernen.
In den Jahren 1992 bis 1995 wurden 1.823 Mitarbeiter deutscher Unternehmen in allen Hierarchiestufen nach ihren größten Ängsten befragt. Die elf am häufigsten genannten Ängste sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Angst vor ... | Prozent der Befragten |
... Verlust des Arbeitsplatzes | 67,6 % |
... Krankheit und Unfall | 67,4 % |
... eigenen Fehlern | 59,0 % |
... Verlust von Wertschätzung und Anerkennung | 50,4 % |
... Konkurrenten | 30,2 % |
... Autoritätsverlust | 28,2 % |
... Innovationen | 27,3 % |
... der Schwäche, Mitarbeitern nicht gerecht zu werden | 20,4 % |
... Fehlinformationen | 15,3 % |
... eigener "Überflüssigkeit" | 11,4 % |
... Einengung des Spielraums | 8,3 % |
Quelle: Winfried Panse / Wolfgang Stegmann, Kostenfaktor Angst,
Landsberg / Lech, 2. Auflage, 1997
Der erste Schritt zum Abbau von Ängsten ist, daß sie als solche erkannt werden. In einem zweiten Schritt werden Strategien zum Gegensteuern entwickelt und angewandt. Im folgenden sollen solche Gegensteuerungsmaßnahmen für die am dritthäufigsten geäußerte Angst - also für die Angst vor eigenen Fehlern - erläutert werden. Dieser Angst kommt in Unternehmenskrisen - zusammen mit der Angst vor Arbeitsplatzverlust - zweifellos überragende Bedeutung zu.
Wenn Menschen Fehler gemacht haben, beeinflußt sie das zunächst einmal negativ. Sie werden zum Zauderer, werden vorsichtig und trauen sich nicht, Neues zu wagen. Dabei vergessen sie jedoch, daß der Mensch aus Fehlern lernen kann. Fehler geben Gelegenheit zum Wachsen. Sie stellen notwendige Kosten dar. Es kommt nur darauf an, die Fehler schneller zu machen und eher daraus zu lernen als die Konkurrenz - frei nach dem Motto: "Celebrate your mistakes".
In der Vorbereitung sollte man alles auflisten, was Fehler nach sich ziehen könnte. Anschließend sind sie zu bewerten, ist Vorsorge zu treffen, damit sie nicht auftreten können. Stellen sie eine zu große Gefährdung dar und sind sie auch nicht vermeidbar, so muß unter Umständen das Projekt gestoppt werden.
Die Entdeckung ist wichtiger als die Tat. Die beste Schadensbegrenzung ist, die Betroffenen zu informieren, bevor sie aufgrund von Gerüchten zu falschen Schlußfolgerungen kommen. Offen und ehrlich zu sein, erfordert jedoch ein gewisses Maß an rhetorischer Sorgfalt. Zwar können Übertreibungen - wie "Mein Kopf gehört unter die Guillotine!" - hilfreich sein. Generell gilt jedoch, totale Unterwerfungsgesten - wie "Es ist alles mein Fehler!" - zu vermeiden. Selbstherabsetzungen ermutigen leider bestimmte Menschen zum Mobbing.
Fehler zu machen bedeutet, etwas Neues zu versuchen. Schnell Fehler zu machen zwingt dazu, rasch eine Alternative zu finden, noch bevor das gesamte Projekt gefährdet ist. Manche Projekte scheitern, weil irgendwann der falsche Weg eingeschlagen wurde und niemand bereit war, die Richtung zu ändern, nachdem klar wurde, daß der eingeschlagene Weg zum Scheitern verurteilt war.
Bei Microsoft werden Fehler erwartet (vgl. David Thielen, Die Microsoft-Fibel, St. Gallen, Zürich, 1999). Niemand, der dort Erfolg hat - berichtet David Thielen - hat nicht schon ein paar spektakuläre Fehler auf dem Kerbholz. Man muß aber sehr wohl unterscheiden zwischen unvermeidbaren Fehlern und solchen, die auf Inkompetenz oder auf Dummheit beruhen. Deshalb ist elementar, daß sofort herausgefunden werden muß, warum jeder einzelne Fehler aufgetreten ist. Frühzeitig erkannt und behoben werden so größere Pannen im System vermieden.
Der "Moment der Wahrheit" ist der Zeitpunkt, unmittelbar nachdem der Fehler passiert ist. Jeder sollte ein praxisnahes Verfahren kennen, um Fehler zu analysieren - solange die Eindrücke noch frisch sind. In schnell wachsenden Unternehmen, wo viele Dinge zum ersten Mal gemacht werden müssen, passieren laufend Fehler. Wer Fehler regelmäßig aufarbeitet, verhindert rechtzeitig ihre Wiederholung. Die Aufarbeitung muß nicht immer in Workshops geschehen. Mit einem strukturierten Selbstcoaching kann man die wertvollsten Lektionen unmittelbar nach einem Fehler selbst lernen.
Jedes mal, wenn bei Microsoft (und in vielen anderen High-Tech-Unternehmen) ein Projekt beendet wird, wird eine "Post mortem"- Besprechung abgehalten. Meist wird dabei in mehreren Meetings alles, was schief gelaufen ist, und alles, was man hätte besser machen können, erörtert. Einziges Ziel solcher Besprechungen ist, nach erfolgter Fehleranalyse herauszufinden, wie das gleiche oder ein ähnliches Projekt beim nächsten Mal besser gemacht werden könnte.
Dr. Wolfgang Stehling |
Erstveröffentlichung im Krisennavigator (ISSN 1619-2389):
2. Jahrgang (1999), Ausgabe 7 (Juli)
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Letzte Aktualisierung: Samstag, 7. Dezember 2024
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